Vorausverfügungen für den psychosozialen Bereich

Patientenverfügung / Vorsorgevollmacht / Betreuungsverfügung / Behandlungsvereinbarung

Patientenverfügung.
Menschen wie Sie und ich können im Zustand der nicht angezweifelten Vernunft in Anlehnung an das Patiententestament und den Letzten Willen erklären, wie im Fall einer psychischen Krise ihren Wertvorstellungen und Wünschen gemäß verfahren werden soll. Diese Verfügung wird im 2009 reformierten deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) »Patientenverfügung« genannt. Eine solche Verfügung sollten auch Menschen niederschreiben, die noch nicht mit der Psychiatrie in Kontakt gekommen und noch nicht in einem Altenheim untergebracht sind.

Herkömmliche Formulare für Vorausverfügungen sind meist auf unumkehrbare Hirnschädigungen und Sterbeprozesse ausgerichtet und sparen Verfügungen für den psychosozialen Bereich komplett aus (einschließlich die Verabreichung von Psychopharmaka in Alten- und Pflegeheimen). Ratsam ist deshalb, einen Psychosoziale Patientenverfügung zu verfassen. Diese können sowohl Menschen verwenden, die für den Krisenfall oder den Fall altersbedingter psychischer Probleme eine spezielle psychiatrische Behandlung wünschen, als auch solche, die sich vor ihr schützen wollen.

Wünsche sind nicht verpflichtend; Ablehnungen spezieller Behandlungsmethoden sind jedoch durch das Patientenverfügungsgesetz (BGB § 1901a) rechtlich geschützt. Je fundierter Ablehnungen begründet werden, je klarer eigene Wertvorstellungen und Wünsche erläutert werden, je konkreter die gewünschte Begegnung mit möglichen Krisen dargestellt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Vorausverfügung respektiert wird. Denn Recht haben und Recht bekommen sind bekanntlich zweierlei.

Patientenverfügungen sind schriftlich zu dokumentieren. Sie bedürfen weder einer notariellen Beglaubigung noch einer psychiatrischen Begutachtung und sollten regelmäßig in Abständen von etwa einem Jahr aktualisiert werden. Hilfreich ist, wenn sie von einer »psychiatrisch über jeden Zweifel erhabene« Person bestätigt und einem anwaltlichen Prüfvermerk versehen wird. Die anwaltliche Prüfung ist zwar keine Wirksamkeitsvoraussetzung, erhöht jedoch den Stellenwert der Psychosozialen Patientenverfügung und lässt eine strengere Beachtung durch Betreuungsgerichte und ÄrztInnen erwarten.

Wer sich seiner bzw. ihrer selbstformulierten Psychosozialen Patientenverfügung nicht sicher ist, kann sie von einem Anwalt oder einer Anwältin fachlich überprüfen lassen. Damit können fehlerhafte Formulierungen vermieden werden, die ihre Anwendung gefährden. Damit die Psychosoziale Patientenverfügung im Bedarfsfall schnell gefunden wird, kann man sie online gegen geringe Gebühr im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer eintragen, wo sie im Bedarfsfall vom Gericht einfach und schnell abgefragt werden kann.

All diese Formalien sind erläutert in der Gebrauchsanweisung der Psychosozialen Patientenverfügung (siehe http://bit.do/psychpav). Einen Überblick über alle möglichen Vorausverfügungen finden Sie auf http://bit.do/voraus.

Auch die Bundesnotarkammer hält weitere Informationen zu Patientenverfügungen bereit (siehe https://www.vorsorgeregister.de/vorsorgedokumente/die-patientenverfuegung)

Vorsorgevollmacht.
Mit einer Vorsorgevollmacht legt man fest, dass ein anderer Mensch, das heißt der oder die Bevollmächtigte, Entscheidungen treffen soll, wenn man selbst dazu nicht mehr in der Lage ist oder wenn man von PsychiaterInnen als selbstbestimmungsunfähig angesehen wird. Man kann auch mehrere Personen gleichzeitig oder einzelne Personen für unterschiedliche Aufgabenbereiche bevollmächtigen. Die Bevollmächtigten entscheiden dann über Gesundheitssorge/Pflegebedürftigkeit, Aufenthalt/Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Vermögenssorge. Da die Vollmachten weitreichend sind und sich letztlich auf Entscheidungen über Leben und Tod erstrecken, sollten nur Personen bevollmächtigt werden, die man persönlich schon längere Zeit kennt und die absolut vertrauenswürdig sind.

Vorsorgevollmachten müssen schriftlich dokumentiert werden. Wenn Immobiliengeschäfte betroffen sind, müssen die Vollmachten notariell beglaubigt werden. Eine seriöse Broschüre samt Formular bietet das Gesundheitsministerium zum Download an (siehe https://www.bmjv.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Betreuungsrecht.pdf?__blob=publicationFile&v=34).

Betreuungsverfügung.
Mit einer Betreuungsverfügung kann man festlegen, dass eine Person oder mehrere Personen des Vertrauens im Fall des Falles Betreuerperson sein soll/en. Man kann auch eine Kette von Betreuerpersonen benennen, die nacheinander für den Fall des Ausscheidens oder für den Fall, dass das Betreuungsgericht die Entscheidung der Betreuerperson nicht als dem Wohl der Betreuten entsprechend ansieht und sie aus der gewünschten Position als Betreuerperson eliminiert, an die Stelle der vorherigen Betreuerperson treten sollen. Damit kann gewährleistet werden, dass sich das Gericht zunächst mit mehreren der genannten Personen auseinandersetzen muss, bevor es willfährige Dritte heranziehen kann.

Kann man keine Person des eigenen Vertrauens benennen, dann kann man in der Betreuungsverfügung bestimmen, welche Entscheidungen eine möglicherweise vom Gericht eingesetzte Betreuerperson treffen darf, insbesondere welchen psychiatrischen Anwendungen sie zustimmen darf und welchen nicht.

Peter Lehmanns Psychosozialen Patientenverfügung enthält im Anhang ein Formular für eine Betreuungsverfügung (siehe http://bit.do/psychpav).

Behandlungsvereinbarung.
Im Rahmen einer evtl. angebotenen Behandlungsvereinbarung dokumentieren ÄrztInnen und evtl. später in die Psychiatrie aufgenommene PatientInnen gemeinsam und rechtlich unverbindlich, welche Behandlung im Fall des Falles gewünscht ist. Wer sich darauf einlässt, gesteht Behandelnden zu, »nach Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten« Zwangsmaßnahmen wie Zwangsmedikation und Fixierung zu vollziehen.

Zwar kann man laut Gesetz Einwilligungen in eine ärztliche Behandlung rechtswirksam nicht im Voraus erteilen. Darauf weisen die AnbieterInnen von Behandlungsvereinbarungen immer wieder hin. Misstrauische wie auch  gutgläubige Personen können aber so von dem Risiko abgelenkt werden, dass RichterInnen im Konfliktfall der in Abrede gestellten »Selbstbestimmungsfähigkeit« unter Verweis auf die unterzeichnete Behandlungsvereinbarung davon ausgehen können, dass bei den Unterzeichneten die Option einer Verabreichung von Psychopharmaka oder Elektroschock gegen den erklärten Willen grundsätzlich bestand.


Wir befinden uns in einer fortwährenden Zusammenarbeit. Darum sind noch nicht alle Rubriken unserer Webseite gefüllt. Unsere Gruppe ist nicht geschlossen. Wir freuen uns, wenn andere Menschen mitarbeiten möchten.

Bei Interesse zur Mitarbeit, bitte eine E-Mail an: info@aktion-artikel16.de

Menü schließen