Zivilgesellschaft is moving: Gegen außerstationären ärztlichen Zwang

Das Bundesverfassungsgericht hatte im März 2024 zu Stellungnahmen aufgerufen (1 BvL 1/24). Zur Frage stand, ob ärztliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen eines Betreuungsverhältnisses (§1832 BGB – §1906a BGB a.F.) auch außerhalb einer stationären Klinik zulässig sein könnten (Krankenhausvorbehalt – §1832 Abs.1 Satz 7-§1906a Abs.1 Satz 7 BGB a.F.), z.B. in der stationären Altenpflege und sogenannten Einrichtungen der Behindertenhilfe (zum vorausgegangenen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH)).

Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit psychosozialen Behinderungen und Psychiatrieerfahrungen wurden nicht aufgerufen Stellung zu beziehen. Dies entspricht nicht den in der UN-BRK normierten und von der BRD ratifizierten Partizipationsrechten von Menschen mit Behinderungen (Art. 4 Abs. 3 und Art. 29 UN-BRK).[1]

Dennoch haben sich in einem vielseitigen, teils gut vernetzten und engagierten Prozess, Selbstvertretungsorganisationen – aber auch Berufsverbände, das Institut für Menschenrechte, Forschung und die Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen- in ihren Stellungnahmen gegen die Ausweitung der ärztlichen Zwangsmaßnahmen ausgesprochen.

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1. Bisher bekannte und öffentlich zugängliche kritische Stellungnahmen zum Verfahren 1 BvL 1/24

BPE e.V.

Offener Brief an den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts

Werner-Fuss-Zentrum gegen Zwangspsychiatrie

Bundesverfassungsgericht befangen? und Bericht von Schneider-Addae-Mensah

Kellerkinder e.V. und Mitunterzeichner Liga Selbstvertretung:

„Nichts über uns ohne uns“ – Partizipation als Recht und staatliche Verpflichtung

Aktion Artikel 16:

Stellungnahme zum Normenkontrollverfahren vor dem BVerG 1/2024

Deutsches Institut für Menschenrechte:

Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht im Rahmen des Verfahrens 1 BvL 1/24 (BGH XII ZB 459/22)

Betreuungsgerichtstag (BGT) :

Positionspapier zur aktuellen Diskussion über ärztliche Zwangsmaßnahmen im Betreuungsrecht, Keine ärztlichen Zwangsmaßnahmen außerhalb eines
geeigneten stationären Krankenhauses: Zur Verfassungsmäßigkeit von § 1832 Abs. 1 Nr. 7 BGB (§ 1906a Abs. 1 Nr. 7 BGB a.F.)

auch BGT, Stellungnahme von 2019 zu 1 BvR 1575/18: Keine ambulante Zwangsbehandlung von Verfassungs wegen – Zur Verfassungsmäßigkeit von § 1906a Abs. 1 Nr. 7 BGB Stellungnahme des Betreuungsgerichtstags e.V.

DGSP

Antwort der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) auf den Fragenkatalog des Bundesverfassungsgerichts an die Verbände im Verfahren 1 BvL 1/24

Dachverband Gemeindepsychiatrie

Stellungnahme zum Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom
22.02.2024

Psychiatriedialogs/ Kontaktgespräche Psychiatrie (Bundes-Angehörigenverband, Diakonie Deutschland, Diakonie RWL, Evangelischer Fachverband für Teilhabe BeB, Der Paritätische Gesamtverband, Deutsche Gesellschaft für soziale Psychiatrie, DGPPN hat nicht mitunterzeichnet)

Gemeinsame Stellungnahme zu unfreiwilliger ambulanter Behandlung der hier zeichnenden Verbände des Kontaktgesprächs Psychiatrie – Keine ambulante Behandlung gegen den Willen der Betroffenen!

Buneta, T., Weiß, E., Schädle-Deininger, H., & Sauter, D. (2024). DFPP gegen Ausweitung von Zwangsbehandlung. Positionspapier zur ambulanten Zwangsbehandlung und Behandlungsweisung. Heraus-
gegeben von der Deutschen Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege e.V. https://dfpp.de/dfpp-gegen-ausweitung-von-zwangsbehandlung

Auch wenn nicht explizit zum Verfahren, haben sich die Beauftragten von Bund und Ländern für die Belange von Menschen mit Behinderungen auch gegen die Ausweitung der ärztlichen Zwangsmaßnahmen in ambulanten Settings oder Einrichtungen ausgesprochen:

Stuttgarter Erklärung 15 Jahre nach Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention: Endlich konsequente Umsetzung! (S. 4)

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3. Stellungnahmen und Informationen zu Behandlungsweisungen

Der Dienst des Bundestags hat einen Bericht zu ambulanten Behandlungsweisungen in der psychiatrischen Versorgung herausgegeben, der die aktuelle Studienlage zur Evidenz jener aufzeigt. Es wird deutlich, dass die behaupteten positiven Auswirkungen der Behandlungsweisungen sich international nicht bestätigen: keine Reduzierung der Krankenhausaufenthalte, diskriminierende (insbesondere gegen Menschen mit Migrationsgeschichte) und zunehmende Nutzung international, nicht kosteneffizient, keinen Einfluss auf eine Verbesserung der sozialen Bindungen und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität für die betroffenen Menschen, betroffene Menschen nehmen Behandlungsweisungen mehrheitlich als ein Gefühl von Zwang und Kontrolle wahr und verstehen die Medikamentenverpflichtung als Hauptgrund für Behandlungsweisungen:

Dokumentation WD 8 – 3000 – 092/23

LPE NRW

https://www.lvpebw.org/2024/02/24/positionspapier-zur-ambulaten-behandlungsweisung/

DGSP

https://www.dgsp-ev.de/veroeffentlichungen/standpunkte-stellungnahmen/statement-der-dgsp-zur-ambulanten-behandlungsweisung-10-januar-2024

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Position der DGSP zur ambulanten Behandlungsweisung 01.07.2024

Kellerkinder

https://seeletrifftwelt.de/wp-content/uploads/2024/01/Kellerkinder_Positionspapier-Ambulante-Zwangsmassnahmen.pdf

LVPE BW

https://www.lvpebw.org/2024/02/24/positionspapier-zur-ambulaten-behandlungsweisung/

Diakonie RWL

https://www.diakonie-rwl.de/sites/default/files/publikationen/2024-03-19-positionspapier-zwangsbehandlung-final.pdf

Buneta, T., Weiß, E., Schädle-Deininger, H., & Sauter, D. (2024). DFPP gegen Ausweitung von Zwangsbehandlung. Positionspapier zur ambulanten Zwangsbehandlung und Behandlungsweisung. Heraus-
gegeben von der Deutschen Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege e.V. https://dfpp.de/dfpp-gegen-ausweitung-von-zwangsbehandlung

Bochumer Zentrum für Disability Studies

https://www.bodys-wissen.de/files/bodys_wissen/Downloads/Artikel%20und%20Buecher/Stellungnahme%20von%20BODYS%20zu%20ambulanten%20Zwangsbehandlung_22April24_final.pdf


[1] Der Grundsatz der Partizipation am öffentlichen Leben ist außerdem in Artikel 21 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AMR) fest verankert und wird erneut in Artikel 25 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt) bekräftigt.

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