Stationäre Strukturen und Architektur

Vorschläge Artikel 16

• Stationsgröße verkleinern
• Abschaffung des Stationszimmers (der Raum, von dem aus, die Station „überwacht“ werden kann)
Ein Erfahrungsbericht hierfür aus Nordholland.
• Tagesraum, Stationsküche/Wohnküche, mehrere Aufenthaltsräume
• Patientenzimmertüren abschließbar (Text hierzu von Sabine Haller)
• Abschließbare Schränke in den Patient*innenzimmern
• Weiches Zimmer/Rückzugsräume/Räume für Einzelbegleitung
• Genügend Einzelzimmer
• Genügend Rückzugsräume für Frauen und Männer

Strategie der offenen Tür

Beschreibung

Diese Maßnahme bezieht sich speziell auf Krankenhäuser und psychiatrische Einrichtungen. Diese sollen hierbei eine Strategie der offenen Tür verfolgen, d.h. Türen sind durchgehend offen und Nutzer*innen können die Station jederzeit betreten bzw. verlassen.

Wirkweise

Verschlossene Türen sind bei Menschen verbunden mit negativen Gefühlen wie Wut, Verwirrung und Traurigkeit. Offene Türen sind notwendig, um das Grundrecht an Bewegungsfreiheit zu gewährleisten.

Adressaten

Kliniken, insbes. Führungspersonal der jeweiligen Station (z.B. Chefärzt*in der Psychiatrie)

Evidenznachweise

Sechs Studien haben die Auswirkungen geschlossener gegenüber offener Türen in psychiatrischen Kliniken untersucht. Der Einsatz geschlossener Türen ist zwar weit verbreitet, die Gründe dafür durch wissenschaftliche Evidenz aber nicht zu erklären. Die Strategie der offenen Tür ist mit folgenden Effekten assoziiert:

  • Reduzierte Rate an Suizidversuchen
  • Reduktion von Zwangsmaßnahmen
  • Reduzierte Wahrscheinlichkeit für ein nicht abgesprochenes Verlassen der Einrichtung  mit und ohne Wiederkehr
  • Signifikante Verbesserung des selbst- und fremdeingeschätzten psychischen Befindens
  • Zufriedenheit mit Behandlungsangebot steigt signifikant
  • Verbessertes Behandlungs- und Stationsklima
  • Einhaltung der Menschenrechte

Die Strategie der offenen Tür kann in allen Krankenhäusern (Erwachsenen- und Kinder- und Jugendpsychiatrie) angewendet werden und wurde ebenfalls in der forensischen Psychiatrie angewandt.

Quellen

Gooding, P. et al. (2018) Alternatives to Coercion in Mental Health Settings: A Literature Review, Melbourne: Melbourne Social Equity Institute, University of Melbourne.

Deutsches Institut für Menschenrechte 2018

Lang, U. et al. (2010) Do locked doors in psychiatric hospitals prevent patients from absconding? Eur. J. Psychiat. Vol. 24, N.° 4

Lang, U. et al. 8 (2016) Über die Reduktion von Zwangsmaßnahmen durch eine „offene Türpolitik“, in: Psychiatrische Praxis 43(06), S. 299-301

Zitat daraus: “In einem aktuellen systematischen Review von 71 Studien zeigt sich, dass der stärkste Prädiktor von aggressivem Patientenverhalten mit 39 % der Fälle die Interaktion von Team und Patient und zwar eine Restriktion bzw. Verweigerung eines Patientenwunsches war.”

Die Klinik in Heidenheim weist auf, dass Zwangsmaßnahmen nach dem Urteil 2011 (2 BvR 882/09) und bevor 2013 ein neues Gesetz verabschiedet wurde (Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme), dass das rechtliche Fundament für die Zulässigkeit medizinischer Zwangsmaßnahmen legte, nicht zunahmen. U.a. nutzt die Klinik in Heidenheim das Konzept offener Türen.

Zinkler, Koussemou (2014) Menschenrechtein der Psychiatrie–Wege und Hindernisse zu einem umfassenden Gewaltverzicht, zu den Daten siehe Punkt 2, in den vorherigen Punkten werden Wege vorgeschlagen, die zu weniger Situationen von Gewalt auf Station führen., in: R & P 32, S. 142 –147

Hüther, F. (2016) Behandlungsverweigerung bei unfreiwilligem Aufenthalt im psychiatrischen Krankenhaus – eine qualitative Studie (Zusammenfassung)

Zitat daraus: “Das eindrucksvollste Ergebnis dieser Untersuchung war dabei, wie sehr die Perspektiven von Patienten, Angehörigen, Ärzten und Pflegepersonal auseinanderklafften.” (S. 152)

Safewards

(Sichere Stationen)

Beschreibung

Dieses Modell ist für die stationäre Behandlung gedacht. Dafür wurden unterschiedliche Aspekte identifiziert, die auf psychiatrischen Stationen zu Konfliktherden führen  können. Das Modell beinhaltet zehn Mittel oder Maßnahmen, durch die der Umgang mit diesen Konfliktherden verbessert werden kann. Außerdem wurden sechs Domänen identifiziert, die wichtig bei der Vermeidung von Konflikten und Zwang sind:

1.) Personal

2.) Räumliche Umgebung: Station, Zimmer etc.

3.) Krankenhausexterne Faktoren: Stressoren wie z.B. drohender Verlust der Wohnung, soziale Konflikte etc.

4.) Nutzer*innengruppen

5.) Charakteristika der Nutzer*innen

6.) Strukturelle Rahmenbedingungen.

Ein Schwerpunkt des Safewards-Ansatzes liegt auf der Veränderung des Behandlungssettings. Neben den Interaktionen zwischen Mitarbeitenden und Nutzer*innenist, ist dabei auch die physische Umgebung gemeint.

Wirkweise

Nutzer*innen und Mitarbeitende arbeiten zusammen, um Zwang systematisch und zielorientiert zu vermeiden. Dabei wird in 5 Phasen unterschieden:
1) Übersetzung von Problemen in Ziele

2) Maßnahmen zur Realisierung dieser Ziele finden

3) Formulierung eines individuellen Plans

4) Umsetzung dieses Plans

5) Bewertung und Anpassung dieses Plans

Adressat*innen

Führungspersonal

Stationsmitarbeitende

Nutzer*innen

Evidenznachweise

  • Abnahme von Konflikten
  • Abnahme von Isolierungsmaßnahmen (containment)
  • Abnahme von Zwangsmaßnahmen

Quellen

Gooding, P. et al. (2018) Alternatives to Coercion in Mental Health Settings: A Literature Review, Melbourne: Melbourne Social Equity Institute, University of Melbourne.

Safewards.net

Nienaber (2017) Das Safewards-Modell – Was es ist und wie eine erfolgreiche Umsetzung in der Praxis gelingen kann

Schneider, M. & Buscher, D. (2021) Safewards– Umsetzung in den verschiedenen Versorgungsformen am Beispiel der LVR- Klinik Viersen

Athmosphärische und räumliche Gestaltung in Krankenhäusern

(environmental factors)

Beschreibung

Unterschiedliche räumliche und atmosphärische Gestaltung von Stationen in Krankenhäusern, haben einen Einfluss auf das Vorkommen von Zwangsmaßnahmen. Beispiele hierfür sind:

  • empfindungsbasierte (sensory-based) Ansätze, z.B. Audio- und Video-Unterstützung
  • beschwerte Decken (weighted blankets)
  • Materialienwahl (soft materials)
  • oder angenehme Gerüche

Hier sind auch die Gestaltung und Inneneinrichtung der Stationen von Bedeutung, bspw. mehr Platz für Nutzer*innen, angenehmer und transparent gestaltete Stationen (z.B. durch einsehbare Räumen, warme Farben, neue/ neu arrangierte Möbel, Teppiche und Pflanzen etc.).

Wirkweise

Die Umgebung einer Station hat einen bedeutenden Einfluss auf das Entstehen von Konflikten und die Anwendung von Zwang.  Mit einfachen Mitteln sind positive Veränderungen umzusetzen.

Adressat*innen

Psychiatrische Stationen, Führungspersonal, Stationspersonal

Nutzer*innen – können Vorschläge machen, bei Gestaltung mitentscheiden

evtl. Professionelle aus den Bereichen Architektur, Innendesign, Handwerk

Evidenznachweise

Verringertes Stress-Level auf der Station mit der Folge einer verringerten Anwendung von Zwang (bis zu 82% weniger Zwang).

Quellen

Gooding, P. et al. (2018) Alternatives to Coercion in Mental Health Settings: A Literature Review, Melbourne: Melbourne Social Equity Institute, University of Melbourne.

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