Psychopharmakareduktion und -absetzung

Ansätze mit niedriger Dosierung von Psychopharmaka & psychopharmakafreie Ansätze

(providing low-medication and/ or no-medication approaches)

Beschreibung

Die Nichteinnahme von Psychopharmaka, geschieht häufig ohne das Wissen der professionell tätigen Menschen (Psychiater*innen), da Nutzer*innen befürchten, ansonsten negative Konsequenzen wie Zwang zu erleben.

Die Einengung der Therapieoptionen kann bereits als Form des Zwangs erlebt werden. Z. B. in dem begleitete Psychopharmakareduzierung/- pausierung/-absetzung, nicht als Alternative zur Verfügung stehen.

In Ansätzen mit niedriger Dosierung oder in psychopharmakafreien Ansätzen, soll transparent und in einer kollaborativen, nutzer*innen-orientierten Herangehensweise über Psychopharmaka gesprochen und entschieden werden.

Beispiele hierfür sind:
1) Tapering Projekt : In einem sogenannten Tapering-Strip (sich zuspitzenden Streifen), werden die Psychopharmaka in einer Rolle oder einem Streifen kleiner Beutel mit Tagesrationen verpackt. Jeder Beutel ist nummeriert und hat die gleiche oder etwas niedrigere Dosis, als die vorherige Verpackung. Nutzer*innen können einen oder mehrere Streifen verwenden, um das Tempo der Dosisreduzierung zu regulieren. Die auf jedem Beutel aufgedruckten Dosis- und Tagesinformationen, ermöglichen es den Nutzer*innen, den Fortschritt ihrer Reduzierung präzise aufzuzeichnen und zu überwachen.

2) Swedish Parachute Projekt: Bei diesem Projekt werden Menschen, die das erste Mal Psychose-Erfahrungen machen, hauptsächlich mit psychosozialen Mitteln unterstützt und wenig Neuroleptika benutzt. Es gibt zudem die Möglichkeit in einer Krisenunterkunft aufgenommen zu werden.

3.) Auch in anderen, komplexeren Ansätzen wie dem Offenen Dialog (Open Dialogue) wird versucht, Psychopharmaka so gering wie möglich zu halten.

Wirkweise

Durch die kollaborative und transparente Herangehensweise bei der Besprechung und Entscheidung, hinsichtlich einer Reduzierung, Pausierung oder Absetzung der Psychopharmaka, werden Therapieoptionen erweitert, das Vertrauensverhältnis zwischen Nutzer*innen und professionell Tätigen gestärkt und die Anwendung von Zwang vermieden.

Adressat*innen

Nutzer*innen – können eine Pausierung/ Reduzierung/ Absetzung von Psychopharmaka einfordern

Behandelnde, Unterstützende, Psychiater*in – Erlernen von Unterstützung außerhalb pharmakologischer Behandlung

Evidenznachweise

  • Sicherere und effektivere Art der Psychopharmakareduzierung, -pausierung und -absetzung für Nutzer*innen (durch schrittweises Absetzen)
  • Geringere Anzahl an Nutzer*innen in stationärer Behandlung
  • Reduzierte Anzahl an Verschreibungen von Neuroleptika
  • Hohe Zufriedenheit von Nutzer*innen

Bislang ist unklar, inwiefern sich eine Unterbrechung/ Reduzierung von Psychopharmaka auf die Anwendungsrate von Zwang verhält.

Quellen

Gooding, P. et al. (2018) Alternatives to Coercion in Mental Health Settings: A Literature Review, Melbourne: Melbourne Social Equity Institute, University of Melbourne.

Das Tapering Projekt

Schlimme, J./ Gonther, U. (2018): Zur Technik der Medikamentenreduktion (PDF)

Schlimme, J./ Scholz, T./ Seroka, R. (2019): Medikamentenreduktion und Genesung von Psychosen, Psychiatrie-Verlag

Lehmann, P. Hg. (2019): Psychopharmaka absetzen – Erfolgreiches Absetzen von Neuroleptika, Antidepressiva, Phasenprophylaktika, Ritalin und Tranquilizern, Antipsychiatrie-Verlag

Schirmer, U. (2020): Psychopharmakotherapie und Empowerment – Ein Trainingsprogramm zum selbstständigen Medikamentenmanagement, Psychiatrie-Verlag

Broschüre der DGSP

Beschreibung

Die Broschüre “Neuroleptika reduzieren und absetzen”, wurde vom trialogischen Fachausschuss Psychopharmaka des DGSP zusammengestellt. In ihr werden verschiedene Wege und Unterstützungsmöglichkeiten aufgewiesen, die es zum Ziel haben, mit weniger oder gar keinen Psychoparmaka zu arbeiten und zu leben. Außerdem werden rechtliche Grundlagen und die (u.a. zu kritisierenden) Wirkweisen von Psychopharmaka erläutert.

Adressat*innen

Nutzer*innen

Angehörige

Professionell Tätige

Quellen

https://www.dgsp-ev.de/fileadmin/user_files/dgsp/pdfs/Publikationen/DGSP_Broschuere_Neuroleptika_reduzieren_2018.pdf

Memorandum der DGSP zur Anwendung von Neuroleptika

Beschreibung

In diesem Dokument wird auf die Zunahme der biologistischen Ansätze eingegangen. Außerdem wird die Wirkweise von Psychopharmaka in der “Psychose-Behandlung” grundlegend kritisch hinterfragt. Das Dokument enthält diverse Referenzen zu wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema. Darüberhinaus werden Wege aufgezeigt, den Umgang mit betroffenen Menschen aus einem ausschließlich medizinischen Kontext zu entheben und Erfordernisse hierfür aufgestellt.

Adressat*innen

Nutzer*innen

Professionell Tätige

Quelle

https://www.dgsp-ev.de/fileadmin/user_files/dgsp/pdfs/Publikationen/DGSP_Memorandum_zur_Anwendung_von_Neuroleptika_2018.pdf

Literatur und kritische Informationen zu Psychopharmaka

  • Lehmann, Peter/ Aderhold, Volkmar/ Rufer, Marc/ Zehentbauer, Josef (2017): Neue Antidepressiva, atypische Neuroleptika – Risiken, Placebo-Effekte, Niedrigdosierung und Alternativen. Mit einem Exkurs zur Wiederkehr des Elektroschocks, Peter Lehmann Publishing
    Dieses Buch ist für alle, die sich rasch und genau informieren wollen: über die Wirkungen der modernen Psychopharmaka, über eventuelle Minimaldosierung, Placebo-Effekte, Alternativen und Reduktionsprobleme und -möglichkeiten. Im Hauptteil klärt der Autor über die Risiken und Schäden auf, geordnet nach Häufigkeit, Gefahren in Schwangerschaft und Stillzeit. Mit Hinweisen, bei welchen Symptomen entsprechend den Informationen der Pharmaindustrie an die verordnenden Ärzte sofort zu reduzieren oder abzusetzen ist.
  • Lehmann (Neuausgabe): Schöne neue Psychiatrie Band 1: Wie Chemie und Strom auf Geist und Psyche wirken, Antipsychiatrieverlag
    In diesem Band stehen die vielfältigen Risiken und Schäden psychiatrischer Psychopharmaka auf der psychischen Ebene und im Bereich der geistigen Fähigkeiten im Mittelpunkt. Themenschwerpunkte: Psychopharmakabedingte emotionale Verarmung, Persönlichkeitsveränderung, Depression, Verzweiflung, Selbsttötung, Verwirrtheit, Delire und psychotische Zustände; Störungen der Sinnesorgane; Gedächtnis-, Konzentrations-, Schlaf- und Traumstörungen; Selbstversuche von Medizinern; Psychopharmakaversuche an Tieren. Bearbeitete Neuausgabe als E-Book.
  • Lehmann (Neuausgabe 2018): Schöne neue Psychiatrie Band 2: Wie Psychopharmaka den Körper verändern, Antipsychiatrieverlag
    In diesem Buch stehen die kurz-, mittel- und langfristigen Risiken und Schäden psychiatrischer Psychopharmaka auf dem deutschsprachigen Markt (bis 1996) im Mittelpunkt, die sich im Muskelapparat, in den Organen und im vegetativen Bereich niederschlagen, z. B. als – teilweise lebensgefährliche – Muskelkrämpfe, Bewegungsstörungen, genetische Schäden, Belastung der Leber, des Herzens und der Sexualorgane. Bearbeitete Neuausgabe als E-Book.
  • Zehentbauer, Josef (2020): Chemie für die Seele – Psyche, Psychopharmaka und alternative Heilmethoden, Antipsychiatrieverlag
    Dieses Buch ist Ratgeber und Nachschlagewerk zugleich. Es bietet Betroffenen, Angehörigen und Profis eine kritische Einführung in das Denken und Handeln der Psychiatrie, eine übersichtliche und gut verständliche Darstellung der Wirkungsweisen, Risiken und Anwendungsgebiete von Psychopharmaka und einen Überblick über alternative Heilmethoden. 12., teilweise aktualiserte Auflage.
  • Lehmann, Peter / Stastny, Peter (Hg.) (2007): Statt Psychiatrie 2, Antipsychiatrieverlag
    Das große Buch über Alternativen zur Psychiatrie in aller Welt, über die aktuellen Ansätze von Selbsthilfe und nichtpsychiatrischen Alternativen im Falle akuter psychischer Probleme sowie Wege zu einer Behandlung, die die Menschenrechte respektiert. Psychiatriebetroffene, Therapeuten, Juristen, Sozialwissenschaftler, Psychiater und Angehörige von allen Kontinenten informieren über ihre alternative Arbeit, ihre Ziele, Erfahrungen und Erfolge.
  • Lehmann, Peter (2015): Der chemische Knebel – Warum Psychiater Neuroleptika verabreichen, Antipsychiatrieverlag
    Wie der Autor ausführt, bestehen die ›Nebenwirkungen‹ von Neuroleptika („Antipsychotika“)  aus schweren körperlichen, geistigen und psychischen Schäden (z. B. Schüttellähmung, Herzstillstand, Impotenz, Krebs, Zahnausfall, Selbsttötung). Mit einem Absatz zum verantwortungsvollen Absetzen dieser Substanzen. 6. Auflage, Nachdruck der Originalausgabe von 1986.
  • Lehmann, Peter (Hg.) (2019): Psychopharmaka absetzen – Erfolgreiches Absetzen von Neuroleptika, Antidepressiva, Phasenprophylaktika, Ritalin und Tranquilizern, Antipsychiatrieverlag
    Das weltweit erste Buch zum Thema ›Erfolgreiches Absetzen von Psychopharmaka‹ richtet sich vor allem an die Behandelten, die aus eigenem Entschluss die verordneten Psychopharmaka absetzen wollen. Gleichfalls angesprochen sind ihre Angehörigen und Therapeuten. In dem Praxisbuch schreiben Betroffene und erstmals ein Angehöriger über ihre Erfahrungen beim (evtl. kleinschrittigen) Absetzen. Alle leben jetzt frei oder zumindest relativ frei von Psychopharmaka. Ergänzend erläutern Tätige im psychosozialen Bereich, Ärzte inklusive, wie sie ihren Klientinnen und Klienten beim Absetzen helfen. 5. Auflage. 
Menü schließen